Laura ist Mitte 30 und führt allem Anschein nach, ein schönes Leben. Als sie das erste Mal zu mir kommt ist es ihr sichtlich peinlich mir zu erzählen, dass sie sich sehr belastet und gestresst fühlt. Sie sagt, das schlimmste für sie wäre, dass sie sich häufig nicht echt fühlt. Sie beschreibt dieses Gefühl damit, dass sie sich oft von anderen vereinnahmt und fremdbestimmt fühlt und dann über sich selbst denkt, sie handle wie ein Roboter. Sie mache ihre täglichen Arbeiten, kümmere sich um Haushalt und Kinder, und schaut sich dabei zu wie sie mit Nachbarn redet und mit ihnen lacht. Mit gesenktem Kopf berichtet sie, dass es in ihr drin ganz anders aussieht. Ihre Aufgaben erfüllen sie schon eine ganze Weile nicht mehr, sie fühlt sich leer und ihr schönes zu Hause fühlt sich manchmal an wie ein Gefängnis. Schnell schiebt sie hinterher, dass sie ihren Mann und ihre Kinder liebt und dass das nichts mit Ihnen zu tun hat, aber das alles könne so nicht mehr weitergehen. Wir sprechen über viele Dinge und darüber, wie es früher in Laura Leben war. Begeistert erzählt sie, dass sie große Pläne hatte. Bevor die Kinder kamen, hatte sie sich immer gewünscht sich mit einem kleinen Wollgeschäft selbstständig zu machen. Sie sei sehr geschickt mit der Stricknadel gewesen und habe kleine Wunder damit vollbracht. Als ich Laura frage, ob sie denn noch strickt, schüttelt sie traurig den Kopf und sagt das ihr dazu die Zeit fehle. 6 Monate später treffe ich Laura zum Abschlussgespräch. Sie lacht schon beim Reinkommen überschwänglich. Aufgeregt erzählt sie, dass sie bereits ihre ersten Verkäufe im Bekanntenkreis getätigt hat, es aber noch länger dauern wird, bis sie ihre Unkosten wieder eingeholt hat. Aber das sei ihr egal und sie fühlt sich so lebendig und froh wie schon ewig nicht mehr. Was war in der Zeit dazwischen passiert? Im Laufe der Jahre hatte sich Laura mehr und mehr von Ihren Pflichten einnehmen lassen und ihren eigenen Bedürfnissen, den Wünschen ihres Umfeldes untergeordnet. Sie hatte jedes erdenkliche Ehrenamt in Schule und Kindergarten bekleidet, den Haushalt und die Einkäufe für die gebrechliche Nachbarin übernommen und ihr ganzer Tag wurde von den Freizeitaktivitäten ihrer Familie bestimmt. Sie hatte tatsächlich überhaupt keine Zeit mehr für sich selbst oder eigene Bedürfnisse. Der Grund hierfür lag in ihrer Kindheit. Sie glaubte ganz tief in sich drin, dass sie nur dann wertvoll sei, wenn sie sich für andere aufopfert und dass es ganz normal für eine Frau sei, alles zu tun was andere von ihr Verlangen. Diese innerlichen Überzeugungen auch nur in Frage zu stellen erschien Laura zu Anfang unserer Arbeit wie ein Verbrechen. Aber Laura brachte den Mut auf an sich zu arbeiten und Schritt für Schritt stellte sie die Gegebenheiten in ihrem Leben in Frage. Häufig tobte es in ihr und ihre Familie zeigte zunächst nur wenig Verständnis für die Änderungen, die sie vornahm, aber Laura ließ nicht locker und schaffte es schließlich, Aufgaben zu delegieren, sich feste Zeiten für sich selbst und ihre Hobbys einzurichten und auch mal „NEIN“ zu sagen. Und dann, ganz plötzlich waren sie wieder da, ihre kreativen Ideen und ihr Tatendrang, ihr echtes Lachen und ihr Humor. Als sie mir erzählte sie hätte sich entschlossen ein Kleingewerbe aufzumachen und plane ihre Kreationen und Zubehör über einen Onlineshop zu verkaufen, war sogar ich erstaunt über so eine Veränderung. Vor mir stand eine andere Frau. Äußerlich immer noch die selbe, aber mit der lebendigen Energie und der Selbstsicherheit eines Menschen, der Zufrieden mit sich selbst und seinem Leben ist.